Es gibt zu viele Apotheken

Das ist ein Satz, den man regelmäßig hört und liest, wenn es um das Apothekenwesen in Deutschland geht. Dass ich da nicht ganz zustimme, dürfte jetzt niemanden so wirklich überraschen. Ich frage mich allerdings oft, wie man dazu kommt so etwas zu sagen, was ist so schlimm an „zu viel“ der jetzigen Anzahl Apotheken und vor allem natürlich wieviele sollten es denn sein? EU-weit steht Deutschland bei der Apothekendichte auf Platz 18 von 28 – wenn England weg ist 18 von 27. Ein spanischer Apotheker verdient mehr an einem Arzneimittel, als ein deutscher. Ganze 2,3% der Gesamtausgaben der Gesetzlichen Krankenkasse landen bei den Apotheken, die eigene Verwaltung kostet fast 5%.Könnte es sein, daß viele glauben, daß die Ausgaben der kranken Kassen sinken und damit die Beiträge, wenn es weniger Apotheken gibt? (2,3% des Gesamtbugets gespart, macht das echt was aus? Und das hieße, daß jemand die jetzige Arbeit der Apotheken umsonst machen müßte!) Verständlich wäre es, denn immer wenn berichtet wird, daß die Ausgaben der kranken Kassen für Arzneimittel gestiegen sind, werden reflexartig die Apotheken als Preistreiber genannt, auch wenn sie gar nichts damit zu tun haben. Und selbstverständlich soll bei ihnen als erstes gespart werden. Die Ausgaben für Arzneimittel steigen vor allem deswegen, weil es immer mehr sehr teure Präparate gibt, die auch immer mehr eingesetzt werden. Ein Paradebeispiel ist Sovaldi: eine Monatspackung kostet circa 16.800 €, davon sind ca. 2680,-€ Mehrwertsteuer, die Apotheke verdient ca. 420 €. Bei diesen Zahlen leuchtet eigentlich jedem schnell ein, wo ich wirklich sparen könnte, bei der Mehrwertsteuer natürlich. Nur wird über diese Zahlen, nämlich der Anteil den die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel tatsächlich ausmacht, nie berichtet oder geredet. Die Pharmafirmen machen zu hohe Preise, die Apotheken verdienen zu viel, aber der Staat existiert nicht……

Aber weniger Apotheken bedeutet nicht, geringere Ausgaben, da die Art und Anzahl der Verordnungen nicht von der Apotheke verursacht wird. Ärzte verordnen, Apotheken geben ab (und verdienen sich bekanntermaßen eine goldene Nase, was manche Ärzte fürchterlich ärgert, da sie der Meinung sind, daß wir fett und faul von ihrer Arbeit profitieren, und hätten selber gerne ein oder noch besser das ganze Stück von dem Kuchen abbekommen – das erklärt jedenfalls für mich, warum wir Heilberufler oft nicht gut zusammen arbeiten). Weniger Apotheken bedeutet ja, daß die verbleibenden Apotheken mehr Kunden pro Tag haben, und selbst wenn wir noch eine PTA oder Apothekerin einstellen könnten, mehr als vier maximal fünf Personen können in unserer Offizin gar nicht zeitgleich arbeiten! Schon gar nicht einen ganzen Tag lang. Das lassen unsere Räumlichkeiten einfach nicht zu. Wenn wir über dreihundert Kunden am Tag haben, dann haben wir auf Anschlag gearbeitet. Und das bedeutet unter anderem, daß wir abends schlags-ok sind, die Beratungszeit pro Kunde drastisch nach unten geht, und wir, sollte das längerfristig, also jeden Tag so gehen, auch gar nicht mehr in der Lage wären so gut und ausführlich zu beraten, wie wir das jetzt tun. Wir hätten schlicht nicht mehr die Kraft dazu.

Fazit Nummer eins: solang die Abrechnungsmodalitäten so bleiben, wie zur Zeit, ändert die Anzahl der Apotheken nichts an den Kosten für die kranken Kassen. To be continued….

Was denkt ihr darüber?

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12 Gedanken zu “Es gibt zu viele Apotheken

  1. Vollkommen​ meine Meinung, was die Anzahl der Apotheken und Preise​ betrifft.
    Was Ärzte betrifft, das sehe ich anders: Ich arbeite bestens mit allen hiesigen Apothekern zusammen, und deren Leistung soll bitte auch ordentlich honoriert werden. Ich kann mir auch nicht wirklich vorstellen, dass Ärzte neidisch auf die Marge der Apotheker sind: jeder ist ein Teil des Systems, das erst zusammen seine Heilwirkung entfaltet.

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  2. Bei uns läuft es zum Glück auch sehr gut mit der Zusammenarbeit, es gibt aber schon Ärzte, bei denen ich genau das geschilderte Gefühl habe. Zum Glück immer weniger! Verzeih bitte den Seitenhieb!

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  3. Ich glaub, es hält sich ein bisschen der Irrglaube, dass die Menge der Apotheken und Arztpraxen in einem Ort von der Krankenkasse reguliert wird (und die Kosten natürlich auch von den Kassen getragen werden). Das könnte auch erklären, warum man gar nicht so selten hört, dass die Krankenkassen da endlich mal einen Riegel vorschieben sollen und statt so vieler Apotheken lieber mehr Arztpraxen in den Orten sein sollten. 😀
    Ich bin echt froh, dass es „so viele“ Apotheken gibt, allein schon, weil ich so nicht ans andere Ende des Stadtteils laufen muss, wenn ich krank bin, es mir schlecht geht und ich nach dem Arztbesuch einfach nur wieder ins Bett will.

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    1. Das ist übrigens entfernt verwandt mit dem Phänomen, dass die Leitstelle im Sommer ziemlich häufig Beschwerden von Bürgern entgegennimmt, wenn wir mal wieder AUF KOSTEN DES STEUERZAHLERS! oder VON MEINEN KRANKENKASSENBEITRÄGEN! vor der Wache in der Sonne sitzen (je nach Wache kann man uns da halt sehen, und nein, wir sind nicht nackt) oder im Dienst vor der Eisdiele um die Ecke Stellung beziehen um uns abzukühlen.
      Kein Witz, das ist bisher bei all meinen Arbeitgebern so vorgekommen. Wir sollten doch gefälligst was tun für unser Geld, anstatt auf Kosten des Steuer- bzw Beitragszahlers faul rumzusitzen. Ja, aber was sollen wir denn machen, wenn nix passiert? Wir können ja nicht irgendwelche Passanten überfallen und ins Krankenhaus bringen oder reanimieren. 😀

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      1. Ja, leider kein Scherz. Aber manche Menschen glauben vielleicht, dass in ner Stadt jede Sekunde was los sein muss, und dass wir uns einfach davongeschlichen haben oder so…

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      1. Och, das kann man noch anders wo finden: Elektriker am Freitag Abend im Notdienst für knapp 30 min und Material 307 €.

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  4. Also ich kann verstehen woher das Gefühl kommt, dass es „zu viele“ Apotheken gibt. An „meiner“ Kreuzung stehen 3, je ca. 50m voneinander entfernt, dafür ist es danach aber eher mau. Mich persönlich würde eine bessere Verteilung von Apotheken freuen, aber ich verstehe auch die wirtschaftlichen Aspekte: An das andere Ende der (immerhin ca 5 km langen) Straße will keine Apotheke ziehen, denn da bleibt die Nach-Arztbesuch-Rezpept-Einlösen-Kundschaft aus (da sich an der großen Kreuzung auch die Arztpraxen ballen). Allen in Allem wäre eine gleichmäßigere Verteilung nett, aber zu viele Apotheken: Fehlanzeige.

    Außerdem habe ich das Gefühl (so subjektiv und so), dass öfter etwas bestellt werden muss, da sich Lagerhaltung selten gebrauchter Arzneimittel immer weniger finanzieren lässt. Das ist übrigens Silvester 14:00 Uhr bei Notfallmedikation* so richtig lustig… (70km Fahrt war die Antwort). Aber die Apothekerinnen und Apotherker, die ich dadurch angerufen habe, waren wirklich nett. Zwei riefen mich noch zurück (in der Zwischenzeit war ich aber fündig geworden und unterwegs) und hätten sich eine Leihgabe aus der nächsten Klinikapotheke besorgen können, falls ich noch niemanden gefunden hätte, der die Medis auf Lager hat.

    *also jetzt nicht so richtig NOTFALL aber schon dringlich genug, dass das nicht bis zum nächsten Morgen warten kann

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    1. Ich hatte übrigens nicht um Lösung meines akuten Medikationsbeschaffungsproblems gebeten: Das haben die einfahch so gemacht. So nett!

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