Wir werden in der Apotheke – und natürlich auch im privaten – oft mit plötzlichen und vor allem zu frühen Todesfällen konfrontiert. Dieses Mal war es ein 63 jähriger Mann, der eben noch seinen Rentenantrag eingereicht hat und seiner Frau sagte: jetzt treten wir ein bischen kürzer. Da stribt er völlig unerwartet an einer Lundenembolie.
Eine Kollegin von mir meinte dazu: das zeigt doch wieder, daß man sein Leben jetzt leben muß. Ich weiß nicht, ob ich das so unterschreiben kann oder will. Mir klingt es so, als ob ich urteile, dieses Leben war nichts wert gewesen.Einmal weiß ich ja gar nicht, ob er nicht genau das Leben gelebt hat, das er leben wollte? Ja, er hat viel gearbeitet – er war Winzer mit eigenem Weingut, da ist man von Januar bis Dezember beschäftigt. Aber vielleicht hat ihn ja grade das glücklich gemacht? Vielleicht war er stolz an Ende des Jahres ein Glas Wein in der Hand zu haben, das ihm gut schmeckt und sich zu sagen: das habe ich gemacht. Hier steckt meine Arbeit und Liebe drin.
Ich finde oft, daß man mit dem Spruch „Man muß sein Leben jetzt leben“ unterstellt, daß der Mensch nicht das richtige Leben gelebt hat. Vielleicht ist ja meine Vorstellung vom „richtigen“ Leben gar nicht die, die für den anderen auch gilt. Es ist ja auch gut möglich, daß ihn wichtige Gründe gezwungen haben – weil er seine Familie ernähren wollte oder das Weingut für seine Kinder erhalten wollte.
Ich frage mich auch manchmal, ob ich denn alles aus meinem Möglichkeiten gemacht habe? Werde ich es irgendwann einmal bitterlich bereuen, daß ich doch nicht noch mal von der Pharmazie zur Ernährungswissenschaft gewechselt bin? Dann denke ich mir wieder, daß mich dieses Denken nicht weiter bringt sonder eher lähmt.
Ich denke, dass mit dem Satz lediglich ausgedrückt werden soll, dass man Schönes nicht zu lange aufschieben soll. Nicht nur planen, sondern auch machen, wenn es zeitlich passt und das Geld dafür da ist. Wer das aufschiebt, bis er in Rente geht, hat evtl. nie die Gelegenheit, seine Träume zu verwirklichen. Das heißt ja nicht, dass er sein Leben nicht gut fand – aber es hat halt ein kleines Sahnehäubchen gefehlt.
LikeLike
Ich vermute auch, dass die Kollegin meinte, man solle sein Leben so leben wie man sich das vorstellt, da das – zumindest auch meiner Meinung nach – viele nicht machen. Oder können. Und zwangsweise 40 + Jahre irgendwas arbeiten, nur damit man irgendwie über die Runden kommt und später irgendwas an Rente hat, ist für mich eine grauenvolle Vorstellung. Aber in meinem Umkreis doch noch recht verbreitet.
LikeLike