Kunde kommt mit Rezept aus der Klinik – einem Entlass-Rezept – ausgestellt am 25.12.18 über Provox Gr.6 – aber Hurra! es ist immerhin eine Diagnose drauf. Trotzdem habe ich einige Probleme mit dem Rezept und sage es auch laut.
Erstens: heute ist der 9.1.19. – Entlass-Rezepte sind nur drei Tage gültig. „Aber er wurde auch erst heute entlassen.“ – Das mag sein, aber ausgestellt wurde das Rezept nun mal am 25.12.18.
Zweitens: wenn ich Provox eingebe bekomme ich in der Lauer-Taxe gleich mal fünfzig Treffer – bei Zusatzangabe „6“ immerhin nur noch zehn.
Als ich an diesem Punkt bin, reißt mir der Kunde das Rezept aus der Hand und rennt weg – zum Hausarzt, der ein neues Rezept ausstellt, wie sich zehn Minuten später herausstellt.
Ich komme gar nicht so weit zu erklären, daß wir diesen Artikel – selbst wenn ich dann mal weiß WAS es sein soll – gar nicht bestellen können. Vermutlich dürfen wir ihn noch nicht einmal über die Kasse abrechnen.
Das kann ich dem Kunden dann erst erklären, als er mit seinem neuen Rezept wieder vor mir steht.
„Hätten Sie mir das nicht gleich sagen können?“ – „Das hätte ich, wenn Sie lange genug hier geblieben wären, um mir zuzuhören.“
Das übliche Leiden mit den „Hilfsmitteln“.
1) Unklare Verordnung: Ich tippe bei der Verordnung auf ein „Provox 2 Shunt-Ventil Gr. 6mm“, das ist aber nicht sicher.
2) Unklare Kostenübernahme: Selbst bei Krankenkassen, die einen Festbetrag hinterlegt haben, ist IMMER ein Kostenvoranschlag mit Genehmigung durch die Kasse einzureichen.
3) Vermutlich nicht vorhandene Präqualifikation: Welche Apotheke präqualifiziert sich denn bitte für Thracheostoma-Versorgung, wenn die Bedingungen dafür meist so hahnebüchen sind, dass man als Leistungserbringer nur noch weglaufen kann?
4) Nicht-Verfügbarkeit: Seit Apotheken solche Produkte nicht mehr beliefern dürfen, hat auch kein Großhändler solche Produkte mehr auf Lager. Direktbestellung ist sicher möglich, aber dauert halt auch mindestens 2-3 Werktage.
5) Unklare Kalkulation: Das Teil kostet im Einkauf 394€ plus 7% MwSt. Einige Krankenkassen bieten eine „monatliche Fallpauschale“ von 395€ incl. MwSt an (ralisierter Gewinn: -25€ zuzüglich nicht abrechenbarer Versandkosten durch den Hersteller); ein „Monats-Pauschal-Versorgungsvertrag“ bietet sogar 200€ incl MwSt (ralisierter Gewinn -207€; da wäre eine „Gewinnwarnung“ schon angebracht).
6) Typisches „Just-On-Demand“-Denken des Patienten: Ich warte bis zum letzen Augenblick, und wenn die Hütte brennt wird die Feuerwehr schon sofort helfen. Dass die Feuerwehr aber nur noch einen Wasserliefervertrag mit dem Wasserwerk Buxtehude hat, welches das Löschwasser mit den Tanklaster auf Anfrage schickt…. geschenkt.
7) Kein Kontrahierungszwang der Apotheke bei Hilfsmitteln: Haben wir nicht, hat Ihre Kasse uns verboten. Kann ich gerne bestellen bei Barzahlung von 540€. Dauert wahrscheinlich ca. 1 Woche. ist da dann mein Lieblingssatz.
Ich kann mich noch erinnern, wie vor Jahren eine örtliche Kinderaztpraxis ein Rezept ausgeschrieben hat für ein Frühgeborenes: „1 Button“. Nix weiter. Ansage der Eltern: „Wir brauchen das übermorgen!“
Es hat mich 5 Stunden gekostet, herauszufinden, was gebraucht wird (einen verschließbaren Durchlass für eine Magensonde, umgangssprachlich genannt „Button“, in Größe XY), wie es genau verordnet werden muss, bis wann es gebraucht wird, wieviel es kosten wird, ein neues passendes Rezept ausstellen zu lassen. Das ganz hat mehrere Telefonate mit Herstellern und der OP-ausführenden Klinik gekostet – zusätzliche Info war, dass die OP in 4 Wochen stattfinden sollte und der Zeitdruck dami relativ sei. Dann Kostenvoranschlag bei der Krankenkasse (es ging um fluffige 400€). 1 Woche (!) später die Rückmeldung: Die Knick-Apotheke hat kein Recht, dieses Rezept zu beliefern! Ich hab die Eltern informiert, sich das (neue) Rezept DRINGENST abzuholen und damit zur Krankenkasse zu gehen, weil die OP ja in ca. 3 Wochen stattfinden sollte, wo das Teil eingebaut werden sollte. Ca. 2 Monate später habe ich das Rezept der Kinderarztpraxis zurückgegeben, da es immer noch bei mir Staub sammelte. 5 Arbeitsstunden für NIX, außer dass ich dem (potentiellen) Versender der Kasse, wäre er denn zum Zug gekommen, ca. 4 Stunden Arbeit abgenommen hätte, die Verordnung umsetzbar zu machen. Moderne Zeiten halt.
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Ach so, nur als Relation. Bei den Gesamtkosten der fluffigen 400€ hatte ich so kalkuliert, dass davon ca. 45€ (15% Aufschlag) bei mir hängen geblieben wären. Das wäre also ein Stundenlohn von 9€ vor Steuern für einen akademischen Beruf gewesen. Ist schon erstaunlich, wie billig man sich verkaufen kann. Aber letzthin hab ich ja gar nichts dafür bekommen, so gleicht sich alles aus im Leben. 😉
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Ach ja, das Entlass-Management-Rezept wäre – kleiner aber wichtiger Unterschied – 3 WERK-Tage gültig. Also
ausgestellt & gültig am 25.12.18 (Dienstag, Feiertag),
gültig am 26.12.18 (Mittwoch, Feiertag)
gültig am 27.12 18 (Donnerstag, Werktag 1)
gültig am 28.12.18 (Freitag, Werktag 2)
gültig am 29.12.18 (Samstag, Werktag 3)
ungültig ab 30.12.18 (Sonntag, Feiertag)
Aber das ist nur meine persönliche Interpretation der Rechts- und Vertragslage mit keinem Anspruch auf Richtigkeit.
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Afaik sind Hilfsmittel Verordnungen tatsächlich länger gültig. Aber das ändert an der gesamten Chose nix.
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AFSIK: Die Versorgung muss innert 7 Tagen aufgenommen werden…. d.h. das Rezept muss inbert 7 Tagen vorgelegt werden. Hilft aber nix, wie Du schon gesagt hast…
Zuhören wir völlig überbewertet /ironieoff
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